Urteile & Aktuelles


Gutachten zur Vergütungspflicht von Arbeitszeitunterbrechungen

Erst kürzlich hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob der Bereitschaftsdienst eines Rettungssanitäters wie dessen reguläre Arbeitszeit wenigstens mit dem Mindestlohn  zu vergüten ist und bestätigte dies in seinem Urteil (vgl. BAG, Urteil vom 29.06.2016, Az. 6 AZR 471/15). Dieser Grundsatz gilt natürlich auch für andere Berufsgruppen, beispielsweise Krankenpfleger. Ein aktuelles Gutachten beleuchtet die Frage, welche Unterbrechungen der Arbeit noch als Arbeitszeit zu betrachten und daher vergütungspflichtig sind, am Beispiel von Taxiunternehmen.

 

Der Autor führt aus, dass neben den Ruhepausen auch Wegzeiten - also Fahrten zur Arbeit und zurück - nach den gesetzlichen Vorschriften und der Rechtsprechung nicht Teil der vergütungspflichtigen Arbeitszeit im Sinne des ArbZG sind. Der Bereitschaftsdienst hingegen ist als Arbeitszeit zu betrachten, da der Arbeitnehmer sich dabei am Arbeitsplatz aufhalten und jederzeit einsatzbereit sein muss. Eine Ausnahme stellt die sogenannte Rufbereitschaft dar, während derer der Arbeitnehmer sich zuhause aufhalten darf.

 

Dieser Systematik folgend sind auch die Standzeiten von Taxifahrern als Bereitschaftsdienst mindestens mit dem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von nunmehr 8,84 pro Stunde zu vergüten. Zudem zählt auch die Anfahrt zu einem Fahrgast als Arbeitszeit, da sie Teil der typischen Arbeitsleistung eines Taxifahrers ist. Der Volltext des Gutachtens steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.

 

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Überwachung mittels Keylogger-Programmen ist grundsätzlich unzulässig

[BAG, Urteil vom 27.07.2017, Az. 2 AZR 681/16]

Nach einem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitgeber die aus einer Überwachung der Arbeitnehmer mittels Keylogger-Programmen erlangten Daten im Kündigungsschutzprozess nicht als zulässigen Nachweis einer Pflichtverletzung vorlegen. Deckt ein Arbeitnehmer auf diese Weise also erhebliche Pflichtverletzungen eines Beschäftigten auf, ist er zwar grundsätzlich zur fristlosen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB berechtigt; erhebt der Arbeitnehmer aber eine Kündigungsschutzklage, so ist die Rechtmäßigkeit der Informationsgewinnung durch den Arbeitgeber gerichtlich zu beurteilen.

 

Keylogger-Programme zeichnen sämtliche Tastatureingaben an einem Rechner auf und lassen sich somit zur totalen Überwachung des Nutzungsverhaltens des Benutzers einsetzen. Im Streitfall war ein Webentwickler entlassen worden, nachdem sein Arbeitgeber mittels Keylogger-Software herausgefunden hatte, dass der Mann sich während der Arbeitszeit etwa vier Stunden lang u.a. mit der Programmierung eines Computerspiels beschäftigt hatte. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin eine Kündigungsschutzklage und bekam vor dem Arbeitsgericht sowie in der Berufungsinstanz Recht: zum einen rechtfertige der geringe zeitliche Umfang des Pflichtverstoßes keine fristlose Kündigung, zum anderen habe der Arbeitgeber mit der heimlichen Installation des Keyloggers massiv in das Grundrecht des Entwicklers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) eingegriffen. Das BAG schloss sich der Argumentation des Landesarbeitsgerichts an und führte aus, der Einsatz von Keyloggern sei nach § 32 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung bestehe.


Sonderkündigung eines 61-jährigen Geschäftsführers

[OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2017, Az. 8 U 18/17]

Das Oberlandesgericht Hamm hatte kürzlich über die Rechtmäßigkeit der altersbedingten Kündigung eines 61 Jahre alten Geschäftsführers zu entscheiden. Nachdem der Mann bereits 2015 als Geschäftsführer abberufen und schließlich zum Jahresende 2016 gekündigt worden war, klagte er vor dem Landgericht. Anlass der Kündigung war eine Sonderklausel im Geschäftsführervertrag: Diese sah vor, dass der Vertrag mit einer sechsmonatigen Frist ordentlich gekündigt werden könnte, sobald der Mann das 60. Lebensjahr vollendet hätte. Der gekündigte Geschäftsführer betrachtete dies als eine unzulässige Altersdiskriminierung. Das Landgericht teilte diese Auffassung jedoch nicht - und auch das OLG wies seine Berufung zurück.

 

Benachteiligungen von Beschäftigten aufgrund des Alters sind nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verboten; eine Sonderkündigungsklausel wie im Streitfall wäre in einem normalen Arbeitsvertrag also offensichtlich diskriminierend (Ausnahmen sind in § 10 AGG geregelt). Für Geschäftsführer gelten die Vorschriften des AGG aber nur eingeschränkt, undzwar gemäß § 6 Abs. 3 AGG nur, "soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft". Der Diskriminierungsschutz bei Kündigungen gilt somit grundsätzlich nicht für Geschäftsführer, auch wenn die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs vom Bundesgerichtshof noch nicht abschließend unter Berücksichtigung aller relevanten EU-Richtlinien beurteilt wurde. Vorliegend wurde die Kündigung sowohl vom Landgericht als auch vom OLG für rechtmäßig befunden, denn sie genügte den Anforderungen des § 10 S. 1, 2 AGG. Die Vereinbarung einer Altersgrenze unterhalb des gesetzlichen Renteneintrittsalters im Geschäftsführervertrag sei durch "betriebs- und unternehmensbezogene Interessen" gerechtfertigt und deshalb zulässig gewesen, zumal dem gekündigten Geschäftsführer ab seiner Entlassung eine Betriebsrente zustand.


Arbeitsverweigerung aufgrund unbilliger Weisungen

[BAG, Beschluss vom 14.06.2017, Az. 10 AZR 330/16]

Arbeitnehmer sind an die Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden, denn nach § 106 GewO kann jeder Arbeitgeber "Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen" (sog. Direktionsrecht). Die allgemeinen Bestimmungen des Arbeitsvertrages werden also einseitig durch den Arbeitgeber konkretisiert. Die Grenzen des Weisungsrechts finden sich ebenfalls in § 106 GewO: Weisungen sind demnach rechtswidrig, wenn sie Arbeitsbedingungen betreffen, die bereits "durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften" abschließend geregelt sind. Wird einem Arbeitnehmer also die Weisung erteilt, an einem Samstag zur Arbeit zu erscheinen, obwohl er dem Arbeitsvertrag nach nur von Montag bis Freitag arbeiten soll, so handelt es sich um eine offensichtlich rechtswidrige und damit nicht zu befolgende Weisung.

 

Weisungen können allerdings auch dadurch rechtswidrig sein, dass sie berechtigte Interessen des Arbeitnehmers außer Acht lassen und somit "unbillig" sind. Dann ist es dem Arbeitnehmer auf Dauer nicht zumutbar, diesen Weisungen Folge zu leisten. Umstritten ist allerdings, ob Arbeitnehmer unbillige Weisungen jedenfalls bis zu einer gerichtlichen Klärung befolgen müssen. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zur Klärung dieser Frage einen Beschluss gefasst, der im Widerspruch zur früheren Rechtsprechung des Gerichts steht. Der Fünfte Senat des BAG vertrat im Jahr 2012 noch die Ansicht, auch potenziell unbillige Weisungen seien von Arbeitnehmern bis zur gerichtlichen Klärung zu befolgen; der Senat berief sich dabei auf die Vorschrift des § 315 Abs. 3 BGB (BAG, Urteil vom 22.02.2012, Az. 5 AZR 249/11). Diese Rechtsprechung bedeutete eine Benachteiligung für betroffene Arbeitnehmer, die im Zweifel erst die gerichtliche Klärung der (Un-)Billigkeit abwarten und die Weisungen des Arbeitgebers bis zu diesem Zeitpunkt befolgen mussten.

 

Der Zehnte Senat will nun in einem aktuellen Verfahren von der umstrittenen Rechtsauffassung des Fünften Senats abweichen und stellte deshalb eine in solchen Fällen vorgesehene Anfrage gemäß § 45 ArbGG. Sollte der Fünfte Senat nicht selbst von seinem Urteil aus dem Jahr 2012 Abstand nehmen, wird die Rechtsfrage vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts abschließend entschieden werden. Anlass für die Anfrage ist die Klage eines Immobilienkaufmanns, der eine vom Arbeitgeber angeordnete Versetzung von Dortmund nach Berlin als unbillig empfand und dieser Weisung deshalb nicht Folge leistete, woraufhin er zunächst abgemahnt und dann gekündigt wurde.


Kündigungsschutz betriebsstörender Arbeitnehmer

[BAG, Urteil vom 28.03.2017, Az. 2 AZR 551/16]

Der Betriebsrat kann nach § 104 BetrVG vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung betriebsstörender Arbeitnehmer verlangen und sogar gerichtliche Zwangsgelder beantragen, sollte der Arbeitgeber diesem Verlangen nicht nachkommen. Als "betriebsstörend" gilt ein Arbeitnehmer, wenn er durch gesetzwidriges Verhalten oder beispielsweise rassistische Betätigungen "den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört" hat. Wie das Bundesarbeitsgericht nun entschieden hat, kann einem zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber geführten Prozess über das Entlassungsverlangen des Betriebsrats präjudizielle Wirkung für einen späteren Kündigungsschutzprozess des Arbeitgebers zukommen.

 

Anlass der Entscheidung war die Kündigungsschutzklage einer Büroangestellten, deren Arbeitgeber infolge eines Antrags des Betriebsrats gemäß § 104 BetrVG vom Arbeitsgericht Düsseldorf zur Entlassung der Frau verpflichtet worden war und ihr deshalb sowohl fristlos als auch hilfsweise ordentlich gekündigt hatte.  Die Arbeitnehmerin, der von mehreren Kollegen ein aggressives Verhalten am Arbeitsplatz und tätliche Angriffe vorgeworfen wurden, konnte am Prozess zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber teilnehmen und dabei zu den Anschuldigungen Stellung nehmen. Allerdings gelang es der Angestellten nicht, den Antrag des Betriebsrats zu entkräften - das Arbeitsgericht verpflichtete den Arbeitgeber, sie aufgrund ihres gesetzwidrigen Verhaltens zu entlassen.

 

Die Frau klagte gegen die daraufhin vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigungen, unterlag jedoch sowohl vor dem ArbG als auch vor dem LAG Düsseldorf: Zwar wurde die fristlose außerordentliche Kündigung aufgrund einer Überschreitung der gesetzlichen Frist (§ 626 Abs. 2 BGB) für unwirksam erklärt, die ordentliche Kündigung sei jedoch aufgrund der präjudiziellen Wirkung des Urteils aus dem ersten Prozess gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt gewesen; mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf über das Entlassungsverlangen des Betriebsrats habe ein "dringendes betriebliches Erfordernis" für die Kündigung bestanden. Das Urteil aus dem ersten Verfahren entfaltete somit rechtliche Bindungswirkung für den Kündigungsschutzprozess.


Widersprüchliche Vertragsklauseln zur Kündigungsfrist und Probezeit

[BAG, Urteil vom 23.03.2017, Az. 6 AZR 705/15]

Nach einem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts kann sich ein Arbeitnehmer im Zweifel auf die für ihn günstigere Vorschrift berufen, wenn sein Arbeitsvertrag miteinander unvereinbare Regelungen zu bestimmten Themen, z.B. zu Kündigungsfristen, beinhaltet. Geklagt hatte ein Flugbegleiter, dessen Arbeitsvertrag mit einer Zeitarbeits-Firma noch während der sechsmonatigen Probezeit mit einer zweiwöchigen Frist gekündigt worden war.

 

Der Arbeitgeber berief sich dabei auf einen Zeitarbeits-Manteltarifvertrag, auf den im Arbeitsvertrag Bezug genommen wurde; der Arbeitnehmer hingegen verwies auf eine andere Klausel des Arbeitsvertrags, in der ausdrücklich eine Kündigungsfrist von sechs Wochen (ungeachtet der Probezeit) vereinbart war. Wie bereits das LAG Düsseldorf gab das BAG dem Arbeitnehmer Recht. Der vom Arbeitgeber einseitig vorformulierte Arbeitsvertrag müsse als AGB betrachtet werden; daher gelte auch die Vorschrift des § 307 Abs. 1 BGB, wonach Vereinbarungen unwirksam sind, die "den Vertragspartner (...) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen" (§ 307 Abs. 1 S. 1). Eine solche Benachteiligung liegt ebenso vor, wenn "die Bestimmung nicht klar und verständlich ist" (§ 307 Abs. 1 S. 2) - zum Beispiel, weil eine bestimmte Vorschrift einer anderen widerspricht.

 

Der Arbeitnehmer konnte sich also auf die für ihn günstigere sechswöchige Kündigungsfrist berufen. Dem BAG zufolge hätte der Arbeitgeber im Vertrag "unmissverständlich deutlich" machen müssen, dass diese Frist erst nach dem Ablauf der vereinbarten Probezeit gelten solle.


Diskriminierungsentschädigung für Lehrerin nach Kopftuch-Verbot

[LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.02.2017, Az. 14 Sa 1038/16]

Eine Berliner Lehrerin konnte vor dem Landgericht Berlin-Brandenburg erfolgreich eine Entschädigung geltend machen. Die Bewerbung der Frau muslimischen Glaubens war  von einer Schule abgelehnt worden, weil sie sich entgegen dem Berliner Neutralitätsgesetz weigerte, während des Unterrichts ihr Kopftuch abzulegen. Diese Ablehnung nahm die Lehrerin als Diskriminierung aufgrund ihrer Religion im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 1 AGG wahr - und zog dagegen vor Gericht. Infolge der geänderten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015 (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, Az. 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) sind Einschränkungen der Religionsfreiheit von Lehrerinnen und Lehrern nur noch erlaubt, wenn eine Störung oder Gefährdung des Schulfriedens droht - unabhängig davon, ob derartige Regelungen für alle Religionen gleichermaßen gelten. Mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konnte die Lehrerin ihren Schadenersatzanspruch (§ 15 AGG) vor dem LAG durchsetzen. Ihr wurde eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern zugesprochen.


Fristlose Kündigung nach indirekter Beleidigung des Geschäftsführers

[LAG Schleswis-Holstein, Urteil vom 24.01.2017, Az. 3 Sa 244/16]

Die Kündigungsschutzklage eines Monteurs, dem nach einem Wortgefecht mit seinem Arbeitgeber gekündigt worden war, blieb vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein - wie schon vor dem Arbeitsgericht Neumünster - erfolglos. Der Mann war bereits seit 23 Jahren in einer Installationsfirma beschäftigt, als die fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen wurde. Der Grund dafür war eine grobe Beleidigung: Der Monteur soll die Geschäftsführer des kleinen Familienbetriebes als "soziale Arschlöcher" bezeichnet haben, nachdem er am Vortag bereits mit ihrem Vater, dem Senior-Chef, in Streit geraten war.

 

Nach der Auffassung des Gerichts war das Abwarten der Kündigungsfrist den Geschäftsführern unter diesen Umständen nicht zumutbar; der Sachverhalt ist jedoch insofern problematisch, dass der Arbeitnehmer die Beleidigung gar nicht selbst ausgesprochen haben soll. Vielmehr habe er im Streit zu den Geschäftsführern gesagt "Dann kündigt mich doch!", woraufhin einer von ihnen entgegnete, dann stünden sie als "soziale Arschlöcher" da. Darauf antwortete der Monteur, das sei die Firma ohnehin schon. Der Arbeitnehmer wurde infolge des Streits zunächst freigestellt und erhielt nach drei Tagen seine Kündigung.

 

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein wies die Berufung des Monteurs zurück; seine "gezielte ehrverletzende (...) Beschimpfung der Geschäftsführer" rechtfertige die fristlose Kündigung auch in Anbetracht seiner langen Betriebszugehörigkeit, zudem habe er sich auch nach seiner Freistellung nicht bei seinen Vorgesetzten entschuldigt. Ob der Arbeitgeber als milderes Mittel zunächst eine Abmahnung hätte aussprechen müssen, ist allerdings durchaus diskutabel. Schließlich erfolgte die Beleidigung der Geschäftsführer in diesem Fall lediglich indirekt und knüpfte an eine Aussage von ihnen selbst an.

 


Ruhezeiten zwischen Arbeitszeit und Betriebsratssitzungen

[BAG, Urteil vom 18.01.2017, Az. 7 AZR 224/15]

Die Tätigkeit im Betriebsrat eines Unternehmens ist nach verbreiteter Ansicht keine reguläre Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbZG - schließlich handelt es sich dabei um ein freiwilliges Ehrenamt. Nach einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sind die im Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Ruhezeiten aber auch dann zu beachten, wenn ein Betriebsratsmitglied an einer Sitzung außerhalb seiner Arbeitszeit teilnehmen möchte. Nach § 5 Abs. 1 ArbZG ist jedem Arbeitnehmer nach der Beendigung seiner täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden vor Beginn der nächsten Schicht zu gewähren.

 

Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer geklagt, nachdem er - um unter Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten an einer Betriebsratssitzung am nächsten Tag teilnehmen zu können - eine Nachtschicht vorzeitig abgebrochen hatte und nach Hause gefahren war. Der Arbeitgeber war nicht bereit, ihm die somit versäumte Arbeitszeit gutzuschreiben und begründete dies damit, die Betriebsratstätigkeit sei keine Arbeitszeit, daher gelte auch § 5 Abs. 1 ArbZG nicht. Der Arbeitnehmer hätte seine Schicht allenfalls eine Stunde früher abbrechen dürfen, womit er bis zur Betriebsratssitzung acht Stunden Ruhezeit gehabt hätte. Das BAG ließ zwar offen, ob eine Betriebsratstätigkeit als reguläre Arbeitszeit zu werten sei, wies die Revision des Arbeitgebers jedoch ab. In Übereinstimmung mit dem LAG befand das Gericht, dass der Schutzzweck des § 5 Abs. 1 ArbZG auch auf Betriebsratstätigkeiten zu erstrecken sei. Dem Arbeitnehmer stand es folglich zu, seine Arbeitszeit zu verkürzen, um an der Betriebsratssitzung teilnehmen zu können und dennoch die gesetzlichen Ruhezeiten einzuhalten.


Druckkündigung eines vorbestraften Sexualstraftäters

[BAG, Urteil vom 15.12.2016, Az. 2 AZR 431/15]

Wird ein Arbeitgeber von seinen Beschäftigten oder Außenstehenden unter Druck gesetzt - zum Beispiel durch Arbeitsverweigerung - und auf diese Weise gedrängt, einen unbeliebten Arbeitnehmer zu entlassen, spricht man von einer Druckkündigung. Eine solche Kündigung ohne bestimmten sachlichen Grund kann unter Umständen rechtmäßig sein; nach einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sind die rechtlichen Anforderungen dafür aber sehr hoch.

 

In dem kürzlich entschiedenen Fall hatte ein wegen Kindesmissbrauchs vorbestrafter Hafenarbeiter gegen die von seinem Arbeitgeber ausgesprochene Druckkündigung geklagt. Frühere Versuche des Arbeitgebers, den Mann zu entlassen, waren bereits erfolglos gewesen, doch als er nach den gewonnenen Kündigungsschutzverfahren wieder zur Arbeit erschien, weigerten sich einige Kollegen ihre Arbeit fortzusetzen, bevor der vorbestrafte Mann das Betriebsgelände verlassen hätte. Die Geschäftsleitung wies die "streikenden" Mitarbeiter zwar darauf hin, dass die Kündigung des Arbeiters erfolglos gewesen war, unternahm jedoch keine weiteren Schritte, um sie Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen und den Vorbestraften in Schutz zu nehmen. Stattdessen kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Hafenarbeiter erneut sowohl fristlos als auch hilfsweise fristgerecht - hatte damit aber wieder keinen Erfolg. Zwar hielten sowohl das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven und das LAG Bremen jedenfalls die fristgemäße Druckkündigung für zulässig, das BAG jedoch entschied zugunsten des Arbeitnehmers. Denn der Arbeitgeber hätte den die Arbeit verweigernden Beschäftigten die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens deutlich machen und ihnen, falls erforderlich, Lohnkürzungen und Abmahnungen androhen müssen.


Unverhältnismäßigkeit der fristlosen Kündigung eines freigestellten Arbeitnehmers

[LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2016, Az. 5 Sa 1201/16]

Die Weitergabe von firmeneigenen Unterlagen kann rechtliche Konsequenzen bis hin zu einer fristlosen Kündigung gemäß § 626 BGB nach sich ziehen. Problematisch ist eine solche Kündigung aber, wenn der betroffene Arbeitnehmer aufgrund einer bereits ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung oder eines Aufhebungsvertrages ohnehin zeitnah aus dem Unternehmen ausscheiden soll. Einen solchen Fall hatte kürzlich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden.

 

Ein kaufmännischer Angestellter eines Immobilienunternehmens hatte mit seinem Arbeitgeber im August 2015 einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungs-regelung geschlossen. Dem Vertrag zufolge sollte er ab Oktober 2015 freigestellt sein und Ende Januar 2016 endgültig aus dem Unternehmen ausscheiden. Entgegen einer ausdrücklichen Weisung seines Vorgesetzten betrieb er während seiner Freistellung jedoch den Verkauf eines Grundstücks an eine andere Firma, wobei er auch Informationen aus dem Unternehmen weitergab. So konnte er zwar einen für seinen Arbeitgeber vorteilhaften Verkauf arrangieren, erhielt dafür aber eine fristlose Kündigung - weder das Januargehalt noch die ausstehende Hälfte der Abfindung wurden ihm ausgezahlt. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und bekam vor dem Arbeitsgericht Recht. Der Arbeitgeber legte Berufung ein, doch das LAG schloss sich dem Urteil der Vorinstanz an: Dem Arbeitgeber sei es trotz des Pflichtverstoßes des Arbeitnehmers zuzumuten gewesen, die vereinbarten sechs Wochen bis zu dessen Ausscheiden aus dem Unternehmen abzuwarten. Zwar komme die Weitergabe firmeninterner Informationen regelmäßig als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht, in diesem Fall habe angesichts des Aufhebungsvertrages aber ohnehin keine Wiederholungsgefahr gedroht - zumal der Angestellte durch sein weisungswidriges Verhalten sogar einen guten Verkauf für das Unternehmen abschließen konnte.


Übertreibungen und Ironie im Arbeitszeugnis sind unzulässig

[LAG Hamm, Beschluss vom 14.11.2016, Az. 12 Ta 475/16]

Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber ihm nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein schriftliches Arbeitszeugnis auszustellen (§ 109 Abs. 1 GewO). Unter Umständen muss sich der Arbeitgeber dabei sogar an einen vom Arbeitnehmer vorgelegten Formulierungsvorschlag halten, von dem er "nur aus wichtigem Grunde" abweichen darf. In einem solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Hamm kürzlich ein Arbeitszeugnis zu beurteilen, das vom Entwurf des Arbeitnehmers nicht etwa negativ abwich, sondern dessen Formulierungen positiv überspitzte.

 

Der Arbeitgeber erteilte dem Arbeitnehmer demnach zwar, entsprechend dem zuvor geschlossenen gerichtlichen Vergleich, ein wohlwollendes Arbeitszeugnis. Der Arbeitnehmer sah die Pflicht seines ehemaligen Arbeitgebers zur Zeugniserteilung damit dennoch nicht als erfüllt an und beantragte beim Arbeitsgericht Hamm erfolgreich die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro, denn er bewertete die überspitzten positiven Formulierungen im Zeugnis als Ironie: An insgesamt 13 Stellen war der Arbeitgeber vom Zeugnisentwurf abgewichen. So war im fertigen Arbeitszeugnis beispielsweise von einer "extrem guten" statt von einer "sehr guten Auffassungsgabe" die Rede, zudem sei der Arbeitnehmer "selbstverständlich" immer pünktlich gewesen und habe seine Aufgaben "mit äußerst beispielhaftem Engagement" erfüllt. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen das vom Arbeitsgericht festgelegte Zwangsgeld hatte keinen Erfolg: Auch das LAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Der Arbeitgeber hätte, entsprechend der sogenannten "Frankfurter Formel", nur aus wichtigen Gründen vom Formulierungsvorschlag des Arbeitnehmers abweichen dürfen. Zudem stellte die überspitzt positive Bewertung im Zeugnis eine unzulässige versteckte Botschaft im Sinne des § 109 Abs. 2 S. 2 GewO dar.


Keine Pflicht zur Teilnahme an Personalgesprächen bei Erkrankung

[BAG, Urteil vom 02.11.2016, Az. 10 AZR 596/15]

Arbeitnehmer, die arbeitsunfähig erkrankt sind, müssen nicht zu Personalgesprächen mit dem Arbeitgeber im Betrieb erscheinen, um künftige Aufgaben zu besprechen. Das BAG hatte kürzlich über einen solchen Fall zu entscheiden und bestätigte die Rechtsprechung der Vorinstanzen. Geklagt hatte ein Krankenpfleger, dessen Arbeitgeber ihn abgemahnt hatte, da er während einer unfallbedingten Krankschreibung trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung nicht zu Personalgesprächen im Betrieb erschienen war.

 

Anlass der Gespräche war, dass die befristete Aufgabenzuweisung des Krankenpflegers endete und deshalb weitere Beschäftigungsmöglichkeiten besprochen werden sollten. Der Arbeitnehmer verwies jedoch auf seine Erkrankung. Nachdem er auch zum zweiten angeordneten Personalgespräch nicht erschienen war, mahnte der Arbeitgeber ihn ab - zu Unrecht, wie das BAG nun entschied. Denn die Aufforderung zu einem Personalgespräch unterfällt zwar dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO), doch wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, ist er sowohl von der Arbeit als auch von der Erfüllung etwaiger Nebenpflichten befreit. Zur Klärung weiterer Beschäftigungsmöglichkeiten nach dem Ende der Krankheit habe der Arbeitgeber den Krankenpfleger zudem telefonisch, per Post oder per E-Mail kontaktieren können. Dafür hätte der Arbeitnehmer aber nicht persönlich im Betrieb erscheinen müssen.


Fristlose Kündigung eines Kraftfahrers wegen Drogenkonsums zulässig

[BAG, Urteil vom 20.10.2016, Az. 6 AZR 471/15]

Das Bundesarbeitsgericht hatte vor kurzem über die Kündigungsschutzklage eines Berufskraftfahrers zu entscheiden, der in seiner Freizeit erwiesenermaßen Metamphetamin ("Crystal Meth") konsumiert hatte. Nach dem Urteil des BAG war die fristlose verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber zulässig, auch wenn nicht nachgewiesen werden konnte, dass der LKW-Fahrer noch während seiner auf das Wochenende folgenden Arbeitszeit unter dem Einfluss der Droge stand.

 

Die Vorinstanzen hatten dem Kläger, anders als das BAG, Recht gegeben: Zwar sei der Drogenkonsum des Fahrers durch einen polizeilichen Drogentest während einer privaten Fahrt nach Feierabend nachgewiesen, nicht aber eine daraus resultierende Fahruntüchtigkeit zur Arbeitszeit. Zudem habe der Arbeitgeber ihm zunächst eine Abmahnung erteilen müssen. Dem hielt das BAG in der Revisionsentscheidung entgegen, dass gerade ein Berufskraftfahrer seine Fahrtüchtigkeit nicht durch Drogen wie Metamphetamin beeinträchtigen dürfe. Ein solches Verhalten könne eine außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) rechtfertigen.


Vorzeitiger Abbruch des Konsultationsverfahrens bei Massenentlassungen

[BAG, Urteil vom 22.09.2016, Az. 2 AZR 276/16]

Arbeitgeber dürfen das nach § 17 KSchG für Massenentlassungen vorgeschriebene Konsultationsverfahren vorzeitig abbrechen, wenn der Betriebsrat offenbar nicht (mehr) zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist. Die in § 17 Abs. 2 KSchG geregelte Konsultationspflicht dient der Vermeidung von Entlassungen bzw. der Milderung ihrer Folgen. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat also nicht nur umfassend über eine geplante Massenentlassung zu unterrichten (§ 17 Abs. 1 KSchG), sondern auch ernsthafte Verhandlungen mit ihm darüber zu führen, wie Entlassungen vermieden werden können. Das Gesetz regelt allerdings nicht, wie lange verhandelt werden muss, wenn kein Kompromiss erzielt werden kann. Nach verbreiteter Meinung ist ein Zeitraum von zwei Wochen ausreichend, denn nach § 17 Abs. 3 KSchG ist die an die Agentur für Arbeit zu erstattende Massenentlassungsanzeige schon wirksam, wenn eine Stellungnahme des Betriebsrats noch nicht vorliegt, der Arbeitgeber aber glaubhaft machen kann, diesen mindestens zwei Wochen zuvor in Kenntnis gesetzt zu haben und er den Stand der Beratungen darlegt. Auf diese Regelung verwies auch das Bundesarbeitsgericht, das kürzlich über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen zu entscheiden hatte.

 

Der Arbeitgeber, der auf zwei Flughäfen im Bereich der Passagierabfertigung tätig gewesen war, beschloss nach der Kündigung sämtlicher Aufträge im Jahr 2014, den Betrieb zum 31.03.2015 stillzulegen und leitete noch im Dezember 2014 ein Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG wegen der Entlassung aller Beschäftigten ein. Aufgrund mehrerer erfolgreicher Kündigungsschutzklagen von Arbeitnehmern leitete der Arbeitgeber im Juni 2015 hilfsweise erneut ein Konsultationsverfahren ein und nahm Verhandlungen mit dem Betriebsrat mit dem Ziel einer Wiedereröffnung des Betriebs auf. Der Betriebsrat zeigte sich jedoch nicht bereit, über Lohnsenkungen zu verhandeln, weshalb der Arbeitgeber erneut betriebsbedingte Kündigungen und eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 3 KSchG verschickte. Nach dem Urteil des BAG waren zwar die zunächst ausgesprochenen Kündigungen aufgrund von Fehlern im Verfahren unwirksam (§ 134 BGB); die erneuten Entlassungen aber genügten den gesetzlichen Anforderungen, da der Betriebsrat sich nicht verhandlungsbereit gezeigt habe und der Arbeitgeber das Konsultationsverfahren somit als gescheitert ansehen durfte.


Fehlerhafte Unterschrift auf Arbeitszeugnis ist unzulässig

[LAG Hamm, Beschluss vom 27.07.2016, Az. 4 Ta 118/16]

Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber ihm nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein schriftliches Arbeitszeugnis auszustellen (§ 109 Abs. 1 GewO). Um zu gewährleisten, dass erkennbar ist, wer das Zeugnis ausgestellt hat, ist es handschriftlich zu unterzeichnen - und dafür gelten klare Regeln. Denn nach § 109 Abs. 2 GewO darf das Zeugnis "keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen". Abwertende "Geheimcodes" und Zeugnisse, die schon aufgrund ihrer Form eine negative Beurteilung ausdrücken, sind somit unzulässig.

 

Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte über die Wirksamkeit eines Arbeitszeugnisses zu befinden, das nicht in herkömmlicher Weise "von links nach rechts" unterzeichnet war, sondern schräg von oben nach unten. Hintergrund des Falles war, dass ein Arbeitgeber, der infolge der Entlassung einer Angestellten zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses verpflichtet war, diese Verpflichtung nicht ordnungsgemäß erfüllte: Zunächst ließ der Geschäftsführer das Zeugnis lediglich von seinem Personalreferenten unterschreiben. Nachdem die ehemalige Beschäftigte dagegen vor Gericht gezogen war, unterschrieb der Geschäftsführer zwar selbst, aber nicht mit seiner üblichen Unterschrift, sondern einer simplen "Kinderschrift". Daraufhin beantragte die Arbeitnehmerin bei Gericht erfolgreich, ein Zwangsgeld festzusetzen, um den Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen Unterzeichnung des (dem Inhalt nach unstrittigen) Arbeitszeugnisses zu bewegen. Gegen die Anordnung von 1.000 € Zwangsgeld durch das Arbeitsgericht Iserlohn wehrte sich der Arbeitgeber mittels einer sofortigen Beschwerde. Dennoch ließ er der Arbeitnehmerin eine weitere Ausfertigung des Zeugnisses zukommen, wobei er dieses Mal zwar mit seiner üblichen Unterschrift, aber von oben nach unten, also quer zum Zeugnistext unterzeichnete. Auch diese Unterschrift ließ das Landesarbeitsgericht Hamm nicht gelten: Es bestätigte die Rechtmäßigkeit des in der Vorinstanz gegen den Geschäftsführer festgesetzten Zwangsgelds mit der Begründung, er habe das Zeugnis so zu unterzeichnen, wie er auch andere Dokumente im Geschäftsverkehr üblicherweise unterzeichne, denn eine unübliche Unterschrift von oben nach unten könne beim Betrachter - wie auch die "Kinderschrift" - erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Zeugnistextes aufkommen lassen.


Gewerkschaft der Flugsicherung muss Schadenersatz für Streik zahlen

[BAG, Urteil vom 26.07.2016, Az. 1 AZR 160/14]

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (Gdf) haftet der Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, der Fraport AG, auf streikbedingten Schadenersatz. Nachdem das Bundesarbeitsgericht im August 2015 bereits über die Klagen der durch den Streik wirtschaftlich geschädigten Fluggesellschaften zu entscheiden hatte, diese aber abwies, da die Airlines nur mittelbar betroffen waren (BAG, Urteil v. 08.2015, Az. 1 AZR 754/13), gab es nun dem Arbeitgeber der streikenden Fluglotsen - der Betreibergesellschaft des Flughafens - Recht. Einzelne Forderungen der Gewerkschaft seien zur Zeit des Streiks im Februar 2012 in einem noch gültigen Tarifvertrag festgelegt gewesen; demnach verletzte die GdF die Friedenspflicht, als sie diese Forderungen mit einem Streik durchsetzen wollte.


Einsicht in die Personalakte durch Arbeitnehmer nicht mit Anwalt

[BAG, Urteil vom 12.07.2016, Az. 9 AZR 791/14]

Arbeitnehmer haben das Recht, Einsicht in die vom Arbeitgeber über sie geführte Personalakte zu nehmen. Das bestimmt § 83 des Betriebsverfassungsgesetzes. Der Arbeitgeber ist sogar verpflichtet, Erklärungen eines Arbeitnehmers auf dessen Verlangen hin in die Akte aufzunehmen. Weiterhin bestimmt die Vorschrift, dass der Arbeitnehmer bei der Einsicht in die Personalakte ein Mitglied des Betriebsrates zur Unterstützung hinzuziehen darf. Von anderen, betriebsfremden Personen - beispielsweise Anwälten - ist in § 83 BetrVG allerdings nicht die Rede.

 

In dem nun vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall verlangte die Anwältin eines Lagerarbeiters, der zuvor ermahnt worden war, in Vertretung ihres Mandanten Einsicht in dessen Personalakte zu erhalten. Der Arbeitgeber verwehrte ihr dies unter Berufung auf den Datenschutz. Auch gemeinsam mit dem Arbeiter durfte die Anwältin die Akte nicht einsehen. Stattdessen wies der Arbeitgeber darauf hin, der Arbeitnehmer könne ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen. Der Arbeiter klagte, unterlag jedoch sowohl vor dem ArbG Würzburg als auch vor dem LAG Nürnberg und schließlich im Revisionsverfahren am BAG. Die Gerichte urteilten übereinstimmend, dass das Recht auf Akteneinsicht aus § 83 BetrVG ein höchstpersönliches Recht des Arbeitnehmers sei. Die Vorschrift verpflichte Arbeitgeber nicht dazu, neben Arbeitnehmern und Betriebsratsmitgliedern auch Rechtsanwälten die Akteneinsicht zu gestatten. Ob in solchen Fällen aber auch eine andere Anspruchsgrundlage außerhalb des BetrVG in Betracht käme, konnte das BAG offen lassen, denn der Arbeitnehmer hatte dem Lagerarbeiter gestattet, Auszüge aus seiner Personalakte zu kopieren und der Anwältin vorzulegen.


Anspruch auf den Mindestlohn auch beim Bereitschaftsdienst

[BAG, Urteil vom 29.06.2016, Az. 5 AZR 716/15]

Nach einem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts sind als mindestlohnpflichtige Zeitstunden im Sinne des MiLoG auch solche Zeiten zu berechnen, während derer ein Arbeitnehmer Bereitschaftsdienst leistet, also nicht arbeitet, aber sich in den Betriebsräumen für die kurzfristig anfallende Arbeit bereit hält. Der sogenannte Bereitschaftsdienst ist insbesondere im Dienstleistungsbereich (beispielsweise in Pflegeberufen) verbreitet und wird in der Regel schlechter bezahlt als die reguläre Arbeitszeit. Das BAG aber erklärte diese Praxis nun für unzulässig, soweit damit der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird.

 

Demnach ist auch der Bereitschaftsdienst, während dessen sich die Arbeitnehmer mit privaten Dingen beschäftigen oder sogar schlafen dürfen, als Arbeitszeit mit mindestens 8,50 Euro pro Stunde zu entlohnen. Das BAG folgte in seinem Urteil der Argumentation der Vorinstanzen. Geklagt hatte ein Rettungssanitäter, der für den von ihm geleisteten Bereitschaftsdienst (9 Stunden pro Woche) nur die Hälfte des tariflichen Stundenlohns in Höhe von 15,81 Euro pro Stunde erhalten hatte. Das BAG wies die Klage ab, da der Sanitäter für die zwei streitigen Monate trotz des reduzierten Lohns für den Bereitschaftsdienst insgesamt eine Bezahlung deutlich über dem Mindestlohn, also mehr als 8,50 Euro pro Arbeitsstunde erhalten hatte. Dennoch führte das Gericht aus, dass auch der Bereitschaftsdienst zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört, auf die § 1 Abs. 2 MiLoG Anwendung findet.


Keine Kündigung ohne Abmahnung für Online-Beleidigung des Chefs

[LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2016, Az. 4 SA 5/16]

Die Kündigungsschutzklage eines Montagearbeiters aus Baden-Württemberg hatte vor dem LAG Erfolg. Dem Mann war nach 16 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos gekündigt worden, weil er in einem Facebook-Chat mit Kollegen einen seiner Vorgesetzten mittels sog. Emoticons als "fettes Schwein" bezeichnet hatte. Er wehrte sich gegen die in seinen Augen unverhältnismäßige Kündigung und bekam sowohl vor dem Arbeitsgericht Pforzheim als auch vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Recht: Zwar sei die Beleidigung eines Vorgesetzten als "fettes Schwein" auch im für eine Vielzahl von Nutzern sichtbaren Chat auf einer Facebook-Chronik ein wichtiger Kündigungsgrund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB und könne daher eine fristlose Kündigung rechtfertigen; doch angesichts der langen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers hätte der Arbeitgeber für dieses Fehlverhalten zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen.


Unvollständige Massenentlassungsanzeige an den Betriebsrat

[BAG, Urteil vom 09.06.2016, Az. 6 AZR 405/15]

Bei einer geplanten Massenentlassung hat der Arbeitgeber weitreichende Informationspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit sowie gegenüber dem Betriebsrat, der nach § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz insbesondere über die Gründe für die geplanten Entlassungen und die Zahl und Berufsgruppen der betroffenen Arbeitnehmer zu unterrichten ist. Diese Informationspflicht ist Bestandteil des obligatorischen Konsultationsverfahrens - erteilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur unvollständige Auskünfte, kann dies später der Wirksamkeit der Kündigungen entgegen stehen. Fraglich ist allerdings, ob eine dem Wortlaut des Gesetzes entsprechende detaillierte Unterrichtung auch dann erforderlich ist, wenn ohnehin der gesamte Betrieb stillgelegt wird, wenn also sämtliche Arbeitnehmer aller Berufsgruppen entlassen werden sollen.

 

Über diese Frage hatte nun das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. Im Streitfall wurde dem Betriebsrat vom Insolvenzverwalter schlicht mitgeteilt, dass im Rahmen der Betriebsstilllegung sämtliche Arbeitnehmer gekündigt werden müssten. Dabei wurde auf eine Benennung der einzelnen Berufsgruppen verzichtet. Dennoch schlossen der Betriebsrat und der Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich mit Sozialplan, führten das Konsultationsverfahren also vollständig durch. Der Betriebsrat bestätigte zudem, umfassend über die geplanten Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Eine Mitarbeiterin, die daraufhin gegen ihre Kündigung klagte, bemängelte, das Konsultationsverfahren sei mangels hinreichender Information des Betriebsrates gemäß § 17 Abs. 2 KSchG fehlerhaft durchgeführt worden. Sie unterlag sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Niedersachsen. Das BAG bestätigte nun die Urteile der Vorinstanzen. Das Gericht führte aus, eine unvollständige Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber könne jedenfalls in Fällen der kompletten Betriebsstilllegung durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Konsultationsverfahren geheilt werden.


Anrechnung von Einmalzahlungen auf den Mindestlohn

[BAG, Urteil vom 25.05.2016, Az. 5 AZR 135/16]

Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld können nach der neuesten Rechtsprechung des BAG prinzipiell auf den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde angerechnet werden. Das gilt jedoch nur, wenn diese Leistungen bereits über das Jahr auf die regulären Monatsabrechnungen verteilt werden, denn das Mindestlohngesetz bestimmt, dass der Mindestlohn spätestens zum Ende des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monats zu zahlen ist (§ 2 Abs. 1 MiLoG). In diesen Fällen handelt es sich der Begründung des Gerichts zufolge um Zahlungen, mit denen lediglich die normale Arbeitsleistung der Beschäftigten entlohnt werden solle. Durch die monatliche Auszahlung würden die Leistungen Teil des regulären Stundenlohns. Daher sei eine Anrechnung auf den Mindestlohn, anders als bei Zuschlägen für Überstunden oder Nachtarbeit, rechtmäßig.

 

Allerdings kann ein Arbeitgeber eine Regelung, nach der das z.B. aufgrund einer betrieblichen Übung zu zahlende Urlaubs- und Weihnachtsgeld fortan monatlich ausgezahlt und somit Lohnbestandtel werden soll, in der Regel nicht einseitig treffen. Es bedarf dazu der Einwilligung der einzelnen Arbeitnehmer oder des Betriebsrats, beispielsweise durch den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung. In dem vom BAG zu entscheidenden Fall existierte eine solche Betriebsvereinbarung. Die Klage einer Cafeteria-Mitarbeiterin blieb deshalb in allen Instanzen erfolglos.


Wiederholter Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen

[LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.05.2016, Az. 1 TaBV 59/15]

Wie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein kürzlich entschieden hat, ist der wiederholte befristete Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen im Rahmen des § 100 BetrVG grundsätzlich rechtlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 10.07.2013, Az. 7 ABR 91/11) verstößt die nicht nur vorübergehende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen zwar gegen die Vorschrift des § 1 Abs. 1 AÜG und begründet somit ein Widerspruchsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG; Arbeitgeber können dieses Verbot jedoch umgehen, indem sie Leiharbeitnehmer nur befristet beschäftigen. Umstritten ist, ob es für die Feststellung, dass eine nur vorübergehende Beschäftigung vorliegt, auf die Art der Tätigkeit ankommt, für die der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Wird ein Arbeitnehmer also fortwährend im Rahmen befristeter Verträge für betriebliche "Daueraufgaben" eingestellt, könnte der Betriebsrat gegen diese personelle Maßnahme unter Umständen Widerspruch einlegen.

 

Das tat der Betriebsrat einer Klinik in Schleswig-Holstein, nachdem der Betreiber über einen längeren Zeitraum jeweils mit einer dreimonatigen Befristung Leiharbeitnehmer beschäftigt hatte und diese Praxis fortsetzen wollte. Gegen den Widerspruch des Betriebsrats berief sich der Arbeitgeber auf § 100 Abs. 1 BetrVG und argumentierte, der Einsatz von Leiharbeitnehmern sei "dringend erforderlich". Vor Gericht unterlag der Betriebsrat, der dem Arbeitgeber untersagen wollte, weiterhin Leiharbeiter für Daueraufgaben einzusetzen. Das LAG führte an, dass ein solcher Einsatz zwar prinzipiell problematisch sei, aber im Bereich des rechtlich Zulässigen liege. Der Arbeitgeber habe auch keinen "groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen" im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG begangen.


Kein Anspruch auf rauchfreien Arbeitsplatz in einer Spielbank

[BAG, Urteil vom 10.05.2016, Az. 9 AZR 347/15]

Ein Croupier einer hessischen Spielbank klagte kürzlich gegen seinen Arbeitgeber und forderte von diesem, zukünftig ausschließlich an einem rauchfreien Arbeitsplatz, im Nichtraucherbereich, eingesetzt zu werden. Die Klage des Croupiers blieb in allen Instanzen erfolglos. Der Arbeitgeber habe mit der Einrichtung einer Klima- und einer Entlüftungsanlage nämlich die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um Nichtraucher auch in den für Raucher vorgesehenen, abgetrennten Bereichen des Betriebes wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakqualm zu schützen, entschied das BAG und schloss sich damit den vorangegangenen Urteilen des Arbeitsgerichts Frankfurt und des Hessischen Landesarbeitsgerichts an.

 

§ 5 Abs. 1 der Arbeitsstättenverordnung bestimmt insofern, dass nicht rauchende Arbeitnehmer vor den Gefahren des (Passiv-)Rauchens wirksam zu schützen sind; nach Abs. 2 der Vorschrift gilt dies in Betrieben mit Publikumsverkehr aber nur, soweit "die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen". Konkretisiert wird diese Regelung durch landesrechtliche Vorschriften, die Nichtraucherschutzgesetze. Zwar sieht auch das hessische Nichtraucherschutzgesetz für Gaststätten grundsätzlich ein Rauchverbot vor (§ 1 Abs. 1 Nr. 11 HessNRSG). Nach einer Ausnahmevorschrift gilt dieses Verbot allerdings nicht in Spielbanken (§ 2 Abs. 5 HessNRSG). Die Nichtraucherschutzgesetze anderer Bundesländer beinhalten zum Teil strengere Verbote.


Kein separater Internet- und Telefonanschluss für den Betriebsrat

[BAG, Beschluss vom 20.04.2016, Az. 7 ABR 50/14]

Um seine Arbeit effektiv erledigen zu können hat jeder Betriebsrat einen Anspruch auf die Bereitstellung von Informations- und Kommunikationstechnik durch den Arbeitgeber (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Unstrittig ist insoweit, dass jedem Betriebsratsmitglied ein eigener Telefon- und Internetanschluss zur Verfügung gestellt werden muss. Im Streitfall forderte der Betriebsrat eines Unternehmenes jedoch die Bereitstellung eines vom Proxy-Server des Arbeitgebers, also vom Firmennetzwerk getrennten Internetanschlusses und eines ebenfalls unabhängigen Telefonanschlusses. Zur Begründung führte der Betriebsrat im Wesentlichen an, ohne technisch unabhängige Informations- und Kommunikationstechnik bestehe die Gefahr der Überwachung durch den Arbeitgeber.

 

Dieser Antrag wurde sowohl vom Arbeitsgericht Oldenburg als auch vom LAG Niedersachsen abgewiesen. Das BAG folgte der Argumentation der Vorinstanzen: Die bloß abstrakte Gefahr des Missbrauchs technischer Kontrollmöglichkeiten im Firmennetzwerk durch den Arbeitgeber mache es nicht erforderlich, dass dem Betriebsrat separate Internet- und Telefonanschlüsse zur Verfügung gestellt würden.


Fristlose Kündigung wegen rechtsextremer Facebook-Kommentare wirksam

[ArbG Herne, Urteil vom 22.03.2016, Az. 5 Ca 2806/15]

Die Kündigungsschutzklage eines Bergmanns, der von seinem Arbeitgeber fristlos gekündigt worden war, blieb vor dem Arbeitsgericht Herne ohne Erfolg. Der Mann war entlassen worden, nachdem er im Oktober 2015 auf der Facebook-Seite des Nachrichtensenders n-tv die Meldung über einen Brand in einer Flüchtlingsunterkunft mit fremdenfeindlichen Aussagen kommentiert hatte.

 

Das Gericht befand, dass zwar auch rechtsextreme Kommentare in sozialen Medien im Rahmen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) prinzipiell nicht zur Kündigung berechtigen, sofern kein Bezug zur Arbeit besteht (wie beispielsweise bei Journalisten, Lehrern oder Erziehern); in diesem Fall hatte der Arbeitgeber durch das Verhalten des Angestellten jedoch einen schweren Imageverlust in der öffentlichen Wahrnehmung zu befürchten, denn der Bergmann hatte seine Beschäftigung im Betrieb für alle Nutzer sichtbar auf seinem Facebook-Profil eingetragen. Daher sei dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen (§ 626 Abs. 1 BGB).


Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement

[BAG, Beschluss vom 22.03.2016, Az. 1 ABR 14/14]

Das BAG hatte kürzlich darüber zu entscheiden, wie weit die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) reichen. Das Gericht wies die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats eines Unternehmens gegen das zuvor ergangene Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG Hamburg, Beschluss v. 20.02.2014, Az. 1 TaBV 4/13) ab. Anlass des Rechtsstreits war ein Spruch der Einigungsstelle des Unternehmens, nachdem sich der Arbeitgeber und der Betriebsrat nicht auf ein Verfahren zur Durchführung des BEM einigen konnten. Die Einigungsstelle entschied daraufhin, dass der Betriebsrat und der Arbeitgeber zu gleichen Teilen an den konkreten Maßnahmen des BEM zu beteiligen wären. Gegen diesen Spruch klagte der Arbeitgeber und bekam vor dem Landesarbeitsgericht Recht: Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX habe der Betriebsrat lediglich ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Verfahrensgrundsätze. An der konkreten Durchführung müsse er hingegen nicht beteiligt werden.


Keine Haftung des Arbeitgebers für Wertsachen am Arbeitsplatz

[LAG Hamm, Beschluss vom 21.01.2016, Az. 18 Sa 1409/15]

Bringt ein Arbeitnehmer Wertsachen mit zum Arbeitsplatz, ohne den Arbeitgeber davon zu unterrichten, haftet letzterer nicht im Falle des Diebstahls. Obhuts- und Verwahrungspflichten eines Arbeitgebers können grundsätzlich nur für solche Gegenstände begründet werden, die der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit "zwingend, mindestens aber regelmäßig mit sich führt oder aber unmittelbar oder mittelbar für die Arbeitsleistung benötigt"; schon wegen der immensen Haftungsrisiken könne der Schutz anderer mitgebrachter Gegenstände nicht in die Verantwortung des Arbeitgebers gelegt werden, insbesondere, wenn dieser nicht sein Einverständnis erklärt oder überhaupt keine Kenntnis davon habe.

 

Mit diesem Beschluss endete die Klage eines Krankenhausmitarbeiters gegen seinen Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht Hamm in der Berufungsinstanz. Der Mann hatte nach eigener Aussage Schmuck und andere Wertsachen im Wert von ca. 20.000 Euro in einem Rollcontainer in seinem Büro verwahrt. Nachdem die Gegenstände augenscheinlich mittels eines Generalschlüssels entwendet worden waren, forderte der Mann von seinem Arbeitgeber mit der Begründung, dieser habe nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung mitgebrachter Wertgegenstände der Arbeitnehmer ergriffen, Schadenersatz.


Hilfsweise ordentliche Kündigung "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" zulässig

[BAG, Urteil vom 20.01.2016, Az. 6 AZR 782/14]

Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt, die hilfsweise neben einer außerordentlichen Kündigung ausgesprochen wird, auch dann nicht zu unbestimmt, wenn der konkrete Endtermin des Arbeitsverhältnisses darin weder benannt noch durch einen Verweis auf gesetzliche Kündigungsfristen oder Tarifverträge bestimmbar ist. Das BAG widersprach mit diesem Urteil dem LAG Düsseldorf, das in der Berufungsinstanz sowohl die fristlose als auch die nach seiner Auffassung zu unbestimmte ordentliche Kündigung für unwirksam erklärt hatte (Urteil v. 28.08.2014, Az. 5 Sa 1251/13).

 

Zur Begründung führte das BAG an, im Falle einer nur vorsorglich neben einer außerordentlichen Kündigung ausgesprochenen ordentlichen Kündigung sei für den Arbeitnehmer ohne Zweifel erkennbar, dass der Arbeitgeber eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstrebe. Insofern komme es nicht darauf an, ob der genaue Endtermin für den gekündigten Arbeitnehmer leicht erkennbar sei. Dies entspreche zudem der allgemein gängigen Praxis der Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen in eine wirksame ordentliche Kündigung gemäß § 140 BGB.


Dreijährige Kündigungsfrist in AGB des Arbeitgebers unwirksam

[Sächsisches LAG, Urteil vom 19.01.2016, Az. 3 Sa 406/15]

Die gesetzliche Kündigungsfrist für Arbeitnehmer beträgt nach § 622 Abs. 1 BGB lediglich vier Wochen. Anders als bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung verlängert sich diese Frist auch nicht abhängig davon, wie lange das Arbeitsverhältnis bereits bestand. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können zwar vertraglich längere Kündigungsfristen als die gesetzlich vorgesehenen vereinbaren, die für beide Parteien gelten sollen (vgl. § 622 Abs. 6 BGB). Nach einem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts gilt dies aber nicht, wenn die längere Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber einseitig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt wird und für den Arbeitnehmer eine unangemessene  Benachteiligung und eine Einschränkung seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 GG bedeutet.

 

Im Streitfall hatte der Arbeitgeber im Rahmen einer vom Arbeitnehmer unterzeichneten Vertragsergänzung neben einer Gehaltserhöhung auch eine Verlängerung der beiderseitigen Kündigungsfrist auf drei Jahre zum Monatsende vorgenommen. Als der Arbeitnehmer später mit einer Frist von vier Wochen kündigen wollte, klagte der Arbeitgeber auf die Feststellung, das Arbeitsverhältnis bestehe fort - ohne Erfolg. Das Sächsische LAG begründete seine Entscheidung damit, dass eine dreijährige Kündigungfrist für den Arbeitnehmer unzumutbar sei.


Private Internetnutzung am Arbeitsplatz - fristlose Kündigung

[LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2016, Az. 5 Ca 657/15]

Die private Nutzung des Internetzugangs an einem Dienstrechner kann eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nach sich ziehen. Der Arbeitgeber ist zudem befugt, den Browserverlauf eines Rechners ohne die vorherige Zustimmung des Arbeitnehmers zu überprüfen, um festzustellen, ob eine wiederholte private Internetnutzung während der Arbeitszeiten stattgefunden hat, wenn es Hinweise darauf gibt. Nach der neuesten Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg liegt insofern kein Beweisverwertungsverbot vor: Auch wenn es sich bei dem Browserverlauf um personenbezogene Daten gemäß dem Bundesdatenschutzgesetz handelt, in deren Verwertung der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, ist eine Überprüfung zulässig, soweit sie der Missbrauchskontrolle durch den Arbeitgeber dient. Wenn ein Arbeitgeber zur Feststellung eines Kündigungssachverhaltes keine andere Möglichkeit hat als die Internetnutzung eines Beschäftigten ohne dessen Zustimmung zu überwachen, darf er dies tun.

 

Im konkreten Fall führte diese Überprüfung zu einer fristlosen Kündigung, nachdem festgestellt wurde, dass der Arbeitnehmer den Internetzugang an seinem Rechner in einem Zeitraum von 30 Arbeitstagen für eine Dauer von insgesamt fünf Tagen zu privaten Zwecken genutzt hatte.


Massenentlassungen durch Insolvenzverwalter ohne ordentliches Konsultationsverfahren unwirksam

[LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.12.2015, Az. 9 Sa 1397/15]

Nach einer neuen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg sind im Zuge einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigungen unwirksam, wenn nicht zuvor ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt wurde. Das Gericht führte dazu aus, bei dem Konsultationsverfahren handele es sich um ein Erfordernis, das unabhängig von der Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit bestehe. Es könne zwar durchaus zusammen mit dem Interessenausgleich durchgeführt werden; dies entbinde den Arbeitgeber jedoch nicht von der Pflicht, mit dem Betriebsrat ernstliche Verhandlungen über die geplanten Entlassungen bzw. die Möglichkeit ihrer Vermeidung zu führen.


Individualrechtliche Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds unwirksam

[BAG, Beschluss vom 09.09.2015, Az. 7 ABR 69/13]

Das Bundesarbeitsgericht hatte kürzlich über die Wirksamkeit einer Abmahnung zu entscheiden, die ein Unternehmen dem Vorsitzenden eines Betriebsrats erteilt hatte. Anlass der Abmahnung war, dass der Betroffene eine für seinen Betrieb abgeschlossene Betriebsvereinbarung im Anhang einer E-Mail an sämtliche Arbeitnehmer des Konzerns verschickt hatte - gewissermaßen als Hilfestellung für die anderen Betriebsräte. Das BAG entschied, die Abmahnung müsse aus der Personalakte des Arbeitnehmers entfernt werden, denn er habe keine Pflichten aus seinem Arbeitsverhältnis, sondern allenfalls betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten verletzt. Eine individualrechtliche Abmahnung seines Verhaltens sei deshalb unzulässig. Selbst bei groben Pflichtverstößen eines Betriebsratsmitglieds komme lediglich ein Ausschluss aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht.


Einladung schwerbehinderter Bewerber zu Vorstellungsgesprächen gemäß § 82 Satz 2 SGB IX

[LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.09.2015, Az.  3 Sa 36/15]

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein urteilte am 09.09.2015 im Berufungsverfahren zugunsten eines schwerbehinderten Klägers, der sich bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz bei einem öffentlichen Arbeitgeber diskriminiert fühlte, weil er infolge des Nichtbestehens eines Eignungstests nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Das LAG sah darin einen Verstoß des Arbeitgebers gegen die Vorschrift des § 82 Satz 2 SGB IX, die insoweit eine Privilegierung schwerbehinderter Bewerber vorsieht, sofern diese nicht offensichtlich fachlich ungeeignet sind. Wird ein Bewerber von einem öffentlichen Arbeitgeber ungeachtet dieser Vorschrift nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, begründet dies eine Vermutung der Diskriminierung des Bewerbers aufgrund seiner Behinderung im Sinne des § 22 AGG, auch wenn er den Eignungstest unter besonderer Berücksichtigung seiner Behinderung absolvieren konnte. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Bestehen des Eignungstests nicht Bestandteil des fachlichen Anforderungsprofils, weshalb die Verweigerung des Vorstellungsgespräches nicht auf § 82 Satz 3 SGB IX gestützt werden könne. Das LAG bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg, das dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern zugesprochen hatte (ArbG Flensburg, Urteil v. 04.12.2014, Az. 2 Ca 624/14).


Mindestlohn für Zeitungszusteller - Übergangsregelung des § 24 MiLoG

[ArbG Nienburg, Urteil vom 13.08.2015, Az. 2 Ca 151/15]

Zeitungszusteller, die in ihrem Arbeitsverhältnis nicht ausschließlich periodische Zeitungen und Zeitschriften oder Anzeigenblätter mit redaktionellem Inhalt, sondern regelmäßig auch Werbeprospekte verteilen bzw. diese vor der Zustellung von Hand in die jeweiligen Zeitungen einsortieren ("Konfektionieren"), unterfallen nicht der Übergangsregelung des § 24 Abs. 2 MiLoG. Sie haben daher ab dem 01.01.2015 Anspruch auf die Zahlung des vollen Mindeslohns in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde. Das Arbeitsgericht Nienburg entschied am 13.08.2015, die Vorschrift des § 24 Abs. 2 MiLoG sei als reine Übergangsregelung restriktiv auszulegen; da der Personenkreis der Zeitungszusteller in der Vorschrift ausdrücklich beschränkt wird auf "Personen, die in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellen", gilt sie nicht für Beschäftigte, die neben dem Zustellen weitere Tätigkeiten wie das Konfektionieren ausüben. Folglich steht diesen Arbeitnehmern für ihre Arbeit der volle Mindeslohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG zu.


Keine Vergütung von Raucherpausen aufgrund betrieblicher Übung

[LAG Nürnberg, Urteil vom 05.08.2015, Az. 2 Sa 132/15]

Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf die Vergütung von Raucherpausen während ihrer Arbeitszeit. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg wies mit seinem Urteil die Berufung eines Klägers zurück, der eine Bezahlung seiner Raucherpausen forderte, da dies im Betrieb bereits seit langer Zeit üblich gewesen sei. Infolge einer neuen Betriebsvereinbarung, die zum Schutz der Nichtraucher im Betrieb vorsah, dass Arbeitgeber sich für Raucherpausen künftig am Zeiterfassungsgerät ausstempeln müssten und demnach keine Vergütung mehr für diese Zeit erhalten würden, klagte der Mann vor dem Arbeitsgericht Würzburg und verlangte die ihm aufgrund der Betriebsvereinbarung entgangene Vergütung aus mehreren Monaten. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, es bestehe kein Anspruch auf die weitere Vergütung von Raucherpausen; insbesondere liege keine betriebliche Übung vor, die diesen Anspruch begründen könnte, denn der Arbeitgeber habe die Häufigkeit und Dauer der Raucherpausen zuvor schlichtweg nicht kontrolliert. Daraus entstehe jedoch kein schützenswertes Vertrauen der Arbeitnehmer, dass Raucherpausen auch weiterhin entlohnt werden würden, zumal dies eine Ungleichbehandlung der im Betrieb tätigen Nichtraucher darstellen würde, die ohne zusätzliche vergütete Pausen den gleichen Lohn erhielten.

 

Das LAG schloss sich der Argumentation des Arbeitsgerichtes an. Ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers, den Arbeitnehmern bezahlte Raucherpausen von durchschnittlich 60 bis 80 Minuten täglich zu gewähren, sei nicht erkennbar, folglich habe eine betriebliche Übung gar nicht erst entstehen können.


Koalitionsfreiheit von Häftlingen / Gefangenen-Gewerkschaft

[Kammergericht Berlin, Beschluss vom 29.06.2015, Az. 7 Ca 254/14]

Die von Häftlingen der JVA Tegel gegründete Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation ist nach einem Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 29.06.2015 keine Gewerkschaft im Rechtssinne. Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG, also das Grundrecht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, gilt nach den Ausführungen der Kammer nur für Arbeitnehmer; Häftlingen aber fehle dieser Status, da sie gemäß § 41 Abs. 1 StVollzG verpflichtet seien, die ihnen zugewiesene Arbeit zu leisten. Folglich könnten sie sich nicht auf die Koalitionsfreiheit berufen. Diese Entscheidung erfolgte anlässlich einer Klage der GG/BO: Die JVA Tegel hatte einem Mitglied der Vereinigung untersagt, während seiner Arbeit Mitgliedsanträge an andere Insassen zu verteilen.


Fristlose Kündigung eines offen rechtsextremistischen Erziehers wirksam

[ArbG Mannheim, Urteil vom 19.05.2015, Az. 7 Ca 254/14]

Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst können aufgrund einer offenkundigen rechtsradikalen Gesinnung unter Umständen fristlos gekündigt werden. Die Aktivität eines Horterziehers in der rechtsextremen Szene und rassistische Äußerungen auch am Arbeitsplatz führten zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Stadt Mannheim. Dagegen klagte der Mann vor dem Arbeitsgericht, blieb jedoch erfolglos.

 

Dem Urteil zufolge ließ das Verhalten des Erziehers auf eine "von rechtsradikalem Gedankengut" geprägte Weltanschauung schließen; zwar seien auch rechtsextreme Äußerungen und Freizeitaktivitäten prinzipiell von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt, einen Erzieher treffe als Mitarbeiter im öffentlichen Dienst jedoch eine besondere Treuepflicht gegenüber der Verfassung. Der Kläger war unter anderem durch folgende Bemerkung gegenüber einer Kollegin über ein Kind im Hort aufgefallen: "Wenn es mein Sohn wäre, dann würde er Springerstiefel tragen und eine rote Binde am Arm". Wegen der begründeten Zweifel an seiner Verfassungstreue sei die fehlende Eignung des Mannes für die Tätigkeit eines Horterziehers offenkundig, so das Arbeitsgericht, womit zugleich ein personenbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gegeben sei. Der Stadt Mannheim sei es demnach nicht zumutbar gewesen, den Kläger auch nur einen Tag länger in der Kinderbetreuung einzusetzen.


Unwirksamkeit allgemeiner Kopftuchverbote an staatlichen Schulen

[BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, Az. 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10]

Das Bundesverfassungsgericht hat entgegen seines früheren Grundsatzurteils vom 24.09.2003 (Az. 2 BvR 1436/02) entschieden, dass allgemeine gesetzliche Verbote von Glaubensbekundungen an öffentlichen Schulen insbesondere durch das Tragen von Kopftüchern am Arbeitsplatz das Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Lehrkräfte (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) unverhältnismäßig einschränken. Anlass dieser Entscheidung waren zwei Fälle, in denen Lehrerinnen muslimischen Glaubens auf der Grundlage von § 57 Abs. 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen abgemahnt bzw. gekündigt wurden, nachdem sie aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen während der Arbeit Kopftücher bzw. andere Kopfbedeckungen getragen hatten. In beiden Fällen bestätigte selbst das Bundesarbeitsgericht die verhaltensbedingten arbeitsrechtlichen Sanktionen.

 

Der Grundsatz der staatlichen Neutralität und die ebenfalls grundrechtlich geschützten Positionen anderer Beteiligter, insbesondere die negative Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler, wurden vom BVerfG gegen die Glaubensfreiheit der zwei Lehrerinnen abgewogen. Das Gericht kam dabei zu dem Schluss, eine bloß abstrakte Gefährdung des religiösen Schulfriedens rechtfertige kein allgemeines gesetzliches Verbot von Glaubensbekundungen durch das äußere Erscheinungsbild. Weiterhin wurde die Vorschrift des § 57 Abs. 4 S. 3 des Schulgesetzes auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft. Die Regelung enthielt eine Privilegierung "christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte", für die das Verbot ausdrücklich nicht gelten sollte. Das BVerfG urteilte, diese Ausnahme sei mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar.


Kündigung wegen Verstoßes gegen kirchliche Grundsätze wirksam

[BVerfG, Beschluss vom 22.10.2014, Az. 2 BvR 661/12]

Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 08.09.2011, Az. 2 AZR 543/10) aufgehoben und den Fall zurückverwiesen. Gegenstand dieses Verfahrens war die Kündigungsschutzklage eines Chefarztes, dessen Arbeitgeber, ein Krankenhaus in katholischer Trägerschaft, sein Arbeitsverhältnis wegen des Verstoßes gegen kirchliche Grundsätze gekündigt hatte. Zur Begründung der Kündigung führte der Krankenhausträger an, der Arzt habe noch vor der Annullierung seiner ersten Ehe standesamtlich eine zweite, kirchenrechtlich unzulässige Ehe mit seiner Lebensgefährtin geschlossen. Das "Leben in kirchlich ungültiger Ehe" stelle nach dem Arbeitsvertrag und der Grundordnung des kirchlichen Dienstes einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß und einen wichtigen Kündigungsgrund (§ 626 BGB) dar.

 

Die Kündigungsschutzklage des Chefarztes hatte in allen Instanzen bis hin zur Revision Erfolg. Die Gerichte stimmten darin überein, dass das Beendigungsinteresse des katholischen Arbeitgebers das Interesse des Arztes an einer weiteren Beschäftigung nicht überwiege - insbesondere, da die Partnerschaft des Mannes mit seiner Lebensgefährtin dem Arbeitgeber auch vor der ungültigen Eheschließung bereits bekannt war. Die Richter am Bundesverfassungsgericht folgten dieser Argumentation nicht. Sie stellten fest, dass das Beendigungsinteresse des katholischen Krankenhausträgers im Lichte der Grundordnung für den kirchlichen Dienst zu bewerten sei; das BAG hätte deshalb die besonderen religiös begründeten Moralvorschriften stärker in seinem Urteil berücksichtigen müssen.


Übergewicht als Behinderung i.S.d. § 1 AGG

[ArbG Darmstadt, Urteil vom 12.06.2014, Az. 6 Ca 22/13]

Übergewicht stellt keine Behinderung im Sinne des § 1 AGG dar. Mit dieser Begründung wies das Arbeitsgericht Darmstadt die Klage einer Bewerberin ab, die Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,- Euro forderte, nachdem der potenzielle Arbeitgeber, ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel der Gesundheitsförderung, im Verlaufe ihres Bewerbungsverfahrens das vermeintliche Übergewicht der Frau zur Sprache gebracht hatte. Infolge dessen erschien die Klägerin nicht zu dem vereinbarten zweiten Vorstellungsgespräch, sondern machte gegenüber den Beklagten Ansprüche geltend, die sie neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf § 15 Abs. 2 AGG stützte: Sie sei im Bewerbungsverfahren aufgrund ihres Übergewichts, das eine Behinderung im Rechtssinne sei, diskriminiert und nicht eingestellt worden.

 

Das Gericht führte in seinem Urteil aus, Übergewicht stelle für sich betrachtet keine Behinderung dar, zumal die Klägerin nicht nachweisen könne, dass ihr gerade aufgrund ihres Übergewichts und nicht wegen des Nichterscheinens zum vereinbarten Vorstellungsgespräch die Einstellung verweigert wurde. Der Begriff der Behinderung in § 1 AGG orientiere sich nach dem Willen des Gesetzgebers an den Definitionen in § 2 Abs. 1 SGB IX und § 3 BGG. Bloßes Übergewicht entspreche nicht diesen Definitionen, sei also keine Behinderung im rechtlichen Sinne. Damit liege kein Benachteiligungsgrund gemäß §§ 1, 7 Abs. 1 AGG vor.


Anteiliges Weihnachtsgeld trotz Kündigung

[BAG, Urteil vom 13.11.2013, Az. 10 AZR 848/12]

Nach einem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat ein Arbeitnehmer auch dann jedenfalls anteiligen Anspruch auf die Zahlung einer vertraglich zugesicherten Weihnachtsgratifikation, wenn er vor einem vereinbarten Stichtag aus dem Unternehmen ausscheidet. Im zu entscheidenden Fall hatte ein Mann auf die anteilige Leistung einer tarifvertraglich vereinbarten Sonderzahlung (9/12 eines Monatsgehalts) zum Jahresende geklagt, nachdem er zum 30.09. ordentlich gekündigt hatte. Der Arbeitgeber verweigerte dies mit der Begründung, die Sonderzahlung sei vom Bestand des ungekündigten Arbeitsverhältnisses am 31.12. des jeweiligen Jahres abhängig.

 

Das BAG gab dem Kläger in Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung Recht. Es erkannte die Gesamtzusage (vom Arbeitgeber als Richtlinie bezeichnet), mit der den Arbeitnehmern die Sonderzahlung in diesem Jahr angekündigt wurde, als vom Tarifvertrag unabhängige, eigene Anspruchsgrundlage an, auf die sich der Kläger trotz seiner zu dieser Zeit bereits ausgesprochenen Kündigung berufen konnte. Nach einer Auslegung der Richtlinie kam das BAG zu dem Schluss, mit der Sonderzahlung solle nicht nur die Betriebstreue der Mitarbeiter honoriert, sondern auch die bereits geleistete Arbeit vergütet werden. Demnach lag, so das BAG, eine Regelung mit "Mischcharakter" als Teil der AGB des Arbeitgebers vor. Dabei sei die Klausel, nach der das Arbeitsverhältnis am 31.12. ungekündigt bestehen muss, unwirksam, denn dadurch würde die Sonderzahlung im Bezugsjahr davon abhängig gemacht, dass Arbeitnehmer über dieses Jahr hinaus im Betrieb bleiben; eine Kündigung wäre erst am 01.01. des Folgejahres möglich. Aufgrund dieser unangemessenen Benachteiligung der Arbeitnehmer befand das Gericht die Klausel für unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB) und verurteilte den Arbeitgeber zur Leistung der Sonderzahlung.


Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

[BAG, Urteil vom 14.11.2012, Az. 5 AZR 886/11]

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.11.2012 ist der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Hintergrund der Entscheidung war der Antrag einer Arbeitnehmerin auf die Gewährung einer Dienstreise, den die Arbeitgeberin  abgelehnt hatte. Am Folgetag meldete sich die Arbeitnehmerin krank und erschien einen Tag später wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Arbeitgeberin die Mitarbeiterin auf, zukünftig bereits am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Hiergegen wandte sich die Arbeitnehmerin. Das BAG führte in seiner Entscheidung aus, dass die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 S. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz gewährten Rechts in dessen Ermessen stehe. Es sei nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung vorgetäuscht.


Schadenersatz für ein schlechtes Arbeitszeugnis

[ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 06.10.2011, Az. 1 Ca 1309/10]

Ein Arbeitgeber ist zum Schadenersatz gegenüber einem ehemaligen Arbeitnehmer verpflichtet, wenn ein von ihm ausgestelltes schlechtes Arbeitszeugnis der Grund für eine Absage war. In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven ging es darum, dass ein Arbeitgeber seinem ausgeschiedenen Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zunächst kein Arbeitszeugnis ausgestellt hatte. Der Mitarbeiter hatte die Erteilung des Zeugnisses angemahnt und hierbei darauf hingewiesen, dass er sich bereits bei anderen Arbeitgebern beworben habe. Von diesen habe er jedoch nur Absagen erhalten, mit der Begründung, dass er vom bisherigen Arbeitgeber kein Arbeitszeugnis vorgelegt habe. Daraufhin stellte der Arbeitgeber ein schlechtes Arbeitszeugnis aus. Das Arbeitsgericht verurteilte ihn zwar zur Zeugniskorrektur; dem kam der Arbeitgeber jedoch nicht nach. Als sich der frühere Mitarbeiter bei einer anderen Firma bewarb, lehnte diese eine Einstellung mit dem Hinweis auf das vorgelegte schlechte Arbeitszeugnis ab. Daraufhin verlangte der Arbeitnehmer Schadenersatz von seinem früheren Arbeitgeber, der vom Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven zu einer Zahlung in Höhe von 3.500 Euro verurteilt wurde.


Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates bei Verstoß gegen ein Gesetz gemäß § 99 BetrVG

[BAG, Beschluss vom 23.06.2010, Az. 7 ABR 3/09]

Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers mit dem Argument verweigern, die Einstellung verstoße gegen ein Gesetz. Das BAG führte in seiner Entscheidung aus, dass der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX den Betriebsrat berechtigt, die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern. Ausgangspunkt dieser Entscheidung ist die Vorschrift des § 81 Abs. 1 SGB IX, die den Arbeitgeber verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit solchen, die bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind, besetzt werden können.

 

Das BAG hatte bislang noch nicht entschieden, ob die in der Vorschrift des § 81 Abs. 1 SGB IX aufgeführten Prüf- und Konsultationspflichten vom Arbeitgeber auch dann zu beachten sind, wenn der betreffende Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll. Die Geltung dieser Pflichten auch in solchen Fällen wurde durch das Urteil nun bestätigt. Für den Arbeitgeber bedeutet dies zukünftig, dass er die Prüf- und Konsultationspflicht stets zu beachten hat - also auch, wenn ein Beschäftigungsbedarf durch die weisungsgebundene Tätigkeit externer Arbeitnehmer - Leiharbeitnehmer - gedeckt werden soll.